Sonntag, 7. Dezember 2003
einsam und allein
Niemand sagte ihm, was er wissen wollte. Er wollte wissen, wie lange er noch warten sollte, wie lange er noch auf diesem Stuhl, der nur aussah wie ein Stuhl, sitzen müßte, und der Person, die nur ein Schatten seiner Erinnerung war, zuhören, ihren Worten, die sich schon seit geraumer Zeit in undifferenzierbare Silben aufgelöst hatten, um nicht mehr verstanden zu werden, vielleicht sogar von Anfang an mit dieser Absicht die Gedanken verlassen haben, um zu einer dahintaktenden Inhaltslosigkeit zu werden. Er hörte auf den Rhythmus, obwohl er andere Dinge als hämmernde Monotonie bevorzugte, obwohl er andere Situationen, als die des Wartens bevorzugte. Aber es ging scheinbar nicht um Dinge und Situationen, die man anderen Dingen und anderen Situationen vorzog. Es ging scheinbar um nichts.

Er hatte Schwierigkeiten, sich damit anzufreunden, Schwierigkeiten, nach dem Grund zu suchen, warum es bei allem worüber er nachdachte, keinen Punkt gab, wohin alles streben konnte, kein absehbares Ende, keine Finalität, die es möglich machte, von neuem anzufangen, einen neuen Blick zu öffnen, eine neue Sprache zu finden, die keiner Worte bedurfte, weil sie sich vom Zwielicht der Bedeutungen befreit hätte, vollständig befreit von schwammigen Definitionen, die letzten Endes alles wieder in den Grundton der Verständnislosigkeit münden ließen, weil sie alles sein konnten und damit auch nichts, ein summendes Nichts, das einen dann wundern ließ, warum man überhaupt zu reden begonnen hatte, warum man die Stille zerstört, und die Sinne aufgerieben hatte.

Er fragte und es gab keine Antwort. Es war nun zu viel Zeit vergangen, um eine Antwort erwarten zu können, zu viel Zeit, um jemandem begegnen zu können, der wüßte, wie man das Fragezeichen in einen Punkt verwandeln könnte, und es endlich eine Möglichkeit geben würde, sich zu erheben, eine wirkliche Möglichkeit und nicht nur eine, die man endlos in Gedanken durchspielte, bis man an sie glauben konnte und sich damit abfand, ein ewig Wartender zu sein.
Er beschloß aufzustehen, obwohl er nicht sicher sein konnte, daß er im nächsten Augenblick nicht wieder in sich zusammenfallen würde wie ein dünnes Blatt Papier. Es konnte sein, daß er keine Kraft hatte. Es konnte sein, daß er sich an nichts in seiner Umgebung abstützen könnte. An nichts und niemanden. Aber vielleicht war das ein notwendiger Schritt, den man gehen mußte, um zu spüren, daß gehen Kraft kostet, weil man die Schwere des eigenen Körpers überwinden muß, um stehen zu können, um gehen zu können, unabhängig davon, ob man einen unnachgiebig harten oder einen nachgiebig weichen Untergrund beging. Schritte versinken. Spuren verschwinden.
Er sah aus dem Fenster. Es schien...als ob es in Strömen regnete.

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