Montag, 1. Dezember 2003
das leben überdenken
Ihm war, als schwebe er durch den Raum. Alles schien wie in Zeitlupe zu vergehen. Die zwei Kellner, die ihm entgegen kamen, bekamen davon natürlich nichts mit. Ihnen schenkte er einfach je zwei Zeigefingerzuckungen.
"Wer gibt mir das Recht, das zu tun?"
Seeker steuerte die Küche an. Das Geschrei der Gäste verhallte in seinem Kopf.
"Erlange ich durch meinen Beruf, durch meine Taten nicht einen unnatürlichen, unfair höheren Status meinen Mitmenschen gegenüber?"
Geradezu reflexartig schoss er den irritierten Sicherheitsmann in der Küchenecke nieder. Der Weg in den Keller müsste... ja, links runter sein.
"Ich existiere, mein Gegenüber nicht mehr. Wo geht es hin? Wandelt es sich in eine neue Existenz, oder verschmilzt es einfach mit dem Nichts? Es hat keinen Einfluss mehr auf das Geschehen dieser Welt.
Aber was rede ich da? Es. Immerhin spreche ich von einem lebendigen Menschen; ich darf ihn nicht zu einem Subjekt oder einem beliebigen Wesen herabstufen.
Leute werden um ihn trauern, sicher, aber sie werden ihr Leben weiterleben, ihn vergessen. Hat er dann überhaupt noch irgendeinen Einfluss? Ich meine, wie ist das? Man spürt einen Schmerz, dann wird alles schwarz - und dann nichts mehr? Für immer? Unvorstellbar!" Der hochstürmenden Wache trieb er mit einem beherzten Tritt - er hatte eine vorzügliche Ausbildung als Nahkämpfer genossen - das Nasenbein ins Gehirn. Blutend fiel der Wachmann den Weg zurück, den er gekommen war.
Seeker erreichte den Keller. Es war dunkel und nass. Spärlich beleuchteten einige amateurhaft angebrachte Lampen die düsteren Korridore. "Wie in einem gruseligen Horrorfilm.", dachte Seeker.


Er folgte dem langen Gang. Geschickt umging er kleine Wasserpfützen, abgelösten Putz und verrostete Nägel, um verräterische Geräusche zu vermeiden.
Um die Ecke stand ein weiterer, korrekt in einen Anzug gekleideter Mann - mit dem Rücken zu Seeker. Gemütlich rauchte er eine Zigarette - Camel, wenn Seeker richtig roch - und hatte vom bisherigen Ärger nichts mitbekommen. Er schien in Gedanken vertieft zu sein - sofern Seeker seine schlaffe Körperhaltung richtig deutete.
"Dieser hier zum Beispiel. Vielleicht hat er eine Familie. Frau, Kinder, Eltern. Wie viel Schmerz setze ich in die Welt, töte ich ihn? Ich meine, ich zerstöre mit einem Mord gleich das Leben ganzer Familien. Ich bin ein Unmensch!" Er schoss ihm in den Hinterkopf. Ohne ein Ton von sich zu geben, nur von dem lauten Pistolenknall begleitet, fiel er vornüber in eine kleine Wasserpfütze. Das letzte Geräusch dieser namenlosen Wache auf Erden war ein Wasserplatschen.


Seeker war kurz vor der Tür, die ihm sein Auftraggeber flüchtig beschrieben hatte.
"Solide Eichenkonstruktion, mit Metallstreben verstärkt. Hebt sich von den anderen Türen da unten ab. Dort halten sie immer ihre Sitzungen. Suchen sie ihren Kunden zu aller erst da." Die Stimme des bärtigen, in einen langen Regenmantel gekleideten Auftraggebers klang noch deutlich in Seekers Ohren.


Aufgebrachte Stimmen waren aus dem Raum zu hören. Seekers letzter Schuss hatte das Personal endlich gewarnt. "Trotz aller Tiefsinnigkeit, einen Schalldämpfer hätte ich Idiot trotzdem mitnehmen können!", war Seekers erster und letzter Gedanke, der sich direkt auf den Auftrag bezog.
Plötzlich wurde die Tür aufgerissen. Ein aufgebrachter Wächter feuerte mit einer Maschinenpistole auf Seeker. Er verfehlte.
"Diese Kugeln galten mir, verdammt! Hätten sie getroffen, ginge es mir jetzt nicht besser als den anderen, die ich bisher erledigt habe. Ich, Scheiße, ich - ich wäre jetzt tot!", schoss es ihm durch den Kopf und er seinem Gegner ins Gesicht.
Irgendwie hatte er sich das nie bewusst gemacht. Sicher, sein Verstand wusste, welches Risiko ein jeder Auftrag barg. Aber mit dem Herzen, mit dem Geiste, hatte er diese Gefahr immer verdrängt. Sterben? Ich?
Seeker begann ernsthaft, alles in Frage zu stellen, wofür er je gelebt hatte.

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bin auf die geistigen ergüsse
des herrn seeker gespannt...

schöne plattform hier, in einer ruhigen stunde versuche ich auch mal etwas beizusteuern
(diese Aussage ist ohne gewähr und verpflichtet zu garnichts :-)

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Hm...
klingt nach "Hitman".. mein Mitbewohner ist diesbezüglich seit zwei Tagen nicht ansprechbar...

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Seekers doppelbödige
Moral geht unter die Gürtellinie.

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solche menschen
musses auch geben (gut, eigentlich nicht - es gibt sie aber nun mal)

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